Kurze Geschichte des 1. Mai


Geburtsort: USA

Im Jahr 1886 streikten rund 400.000 Arbeiter*innen am so genannten „Moving Day”, der Tag an dem üblicherweise Arbeitsverträge erhoben wurden, abliefen oder neue entstanden. Vom Pazifik bis zum Atlantik kämpften die Arbeiter*innen für die Einführung des Acht-Stunden-Tages. Ein gewagter und doch wichtiger Schritt, wenn man bedenkt, dass noch in den 1860er Jahren der durchschnittliche Arbeitstag bei dreizehn Stunden lag. Trotz der lauten Stimmen im ganzen Land, der Hinrichtung von vier Gewerkschaftsführern durch Erhängen und des Todes von sieben Polizisten in Folge einer ungeklärten Explosion am Haymarket in Chicago, änderte dieser 1. Mai verhältnismäßig wenig: Nur für 20.000 der 400.000 Arbeiter*innen konnte der Acht-Stunden-Tag durchgesetzt werden.


Der 1. Mai in Deutschland

Vom 14. bis zum 19. Juli 1889 fand der „Pariser Arbeiterkongress“ statt. Ein Kongress, dessen Beschlüsse noch heute stark nachhallen. Nicht nur wurde auf dem Kongress die „Zweite Internationale“ gegründet, an der der zu dem Zeitpunkt der 69-jährige Friedrich Engels maßgeblich mitwirkte, wenn auch aus dem fernen London, auch der internationale Tag der Arbeit fand dort seinen Ursprung.
Der 1. Mai entstand als internationaler Protesttag im Kampf für den Acht-Stunden-Tag, dieser sollte zunächst im darauffolgenden Jahr 1890 als einmalige Aktion stattfinden. Der Klassenkampf zeigte sich nicht nur durch Bismarcks „Sozialistengesetz“, der jegliche marxistisch orientierte Bewegung verbot und die Sozialdemokratie nur im Reichstag duldete, auch kündigten die Unternehmerverbände an, ihre altbekannte Waffe einzusetzen: Entlassungen.

Mit den so genannten „Schwarzen Listen“ organisierten sich die Unternehmer*innen, um unerwünschte Demonstranten*innen von der Möglichkeit einer Arbeit auszuschließen. Nichtsdestotrotz fanden deutschlandweit mehr als 100 000 Arbeiter*innen den Weg auf die Straßen. In Halle beschloss die SPD 1890 den 1. Mai zum „Feiertag der Arbeiter“ zu machen, was aber auch durch den Zusammenbruch der „Zweiten Internationalen“ nach dem Ersten Weltkrieg widerrufen wurde. Dieser Entschluss brachte weitreichende Konsequenzen für die deutsche Arbeiterbewegung mit sich, so kam es unter Anderem zu großen Meinungsunterschiede in der Reihen der SPD bzw. zwischen SPD und der aus ihr hervorgegangen „Unabhängigen SPD“. Es waren die Kommunisten, genauer der Spartakusbund, welcher später in die KPD aufging, die sich 1916 für die Fortsetzung des 1. Mai als Feiertag der Arbeiter einsetzten.
In der Weimarer Republik konnte der 1. Mai als offizieller Tag nicht weiter fortgesetzt werden, zwar konnte die SPD zusammen mit dem ADGB („Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund“) für das Jahr 1919 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag erklären, dies aber nicht aufrechterhalten.
Der 1. Mai des Jahres 1929 ging als „Blutmai“ in die Geschichte ein:
Die KPD rief in Berlin zu Protesten auf, allerdings waren durch den Berliner Polizeipräsidenten und den preußischen Innenminister politische Versammlungen in der Öffentlichkeit verboten worden. Die Polizei ging von Anfang an äußerst brutal gegen Demonstrierende vor. Das Resultat waren 33 getötete Demonstranten*innen, 198 verwundete Demonstranten und 47 verletzte Polizisten. Wie die Zahlen schon erahnen lassen, war dieser Tag von einer unverhältnismäßigen Polizeigewalt geprägt.

Die Zeit des Nationalsozialismus bedeutete für die deutsche Arbeiterbewegung eine Zeit der Verfolgung und der Verzerrung.
Die Nazis waren zwar stark an den Arbeitern*innen interessiert, die Gewerkschaften standen ihnen hierbei jedoch im Weg. Auf Befehl von Hitler wurden am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser besetzt und ihre Mitglieder in „Schutzhaft“ gebracht. Viele von ihnen erlebten ihre letzten Tage unter unmenschlichen Bedingungen in den Konzentrationslagern der Nazis.
Der 1. Mai wurde in diesem Rahmen vollkommen instrumentalisiert. Hitler erklärte ihn zwar zum gesetzlichen Feiertag, missbrauchte ihn aber vor Allem zu propagandistischen Zwecken, so wurde dieser zum „Nationalen Tag der Arbeit“ umgedeutet.
In Berlin fand 1933 auf dem Tempelhofer Feld eine große Veranstaltung der Nazis statt, an der nach eigenen Angaben 1,5 Mio. Arbeiter*innen zur Teilnahme verpflichtet wurden, und die viel mehr an eine Militärparade erinnerte.
Die gesamte Arbeiterschaft sollte in das nationalsozialistische Konzept der „Volksgemeinschaft“ eingegliedert werden.

Mit der Teilung Deutschlands im Jahr 1949 in DDR und BRD kam es zu großen Unterschieden in der Ausführung und im Verständnis des 1. Mai in den beiden deutsche Staaten, auch auf staatlicher Ebene. In der DDR wurde der 1. Mai zum staatlichen Feiertag und die Teilnahme an den Demonstrationszügen Pflicht.
Dies wurde staatlich kontrolliert, so mussten beispielsweise die Arbeitgeber Listen führen, aus denen hervorging, wer am 1. Mai teilnahm und wer nicht erschien. Entschied man gegen die Teilnahme, so lief man Gefahr negativ aufzufallen. Der Begriff „Demonstrationszug“ beschreibt hier aber nicht die tatsächliche Intention des 1. Mai, dieser war also kein Tag an dem die Arbeiter*innen für ihre Rechte kämpften, sondern ein Tag an dem die Staatsführung wirtschaftliche Erfolge und militärische Macht präsentierte.
In Hinblick auf den Kalten Krieg zwischen den USA und der UdSSR prägten Militärparaden das Bild des 1. Mai besonders in den Staaten des Warschauer Paktes maßgeblich. Diese „Tradition“ fand aber mit der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)“ sein Ende, sodass die letzte Militärparade im Jahr 1976 stattfand.
In den letzten Jahren der DDR wandelte sich der 1. Mai ein Stück weit zum Familientag, an dem es Imbissessen und kostenlose Bratwurst gab.
Ähnlich, aber in einem größeren Umfang verhielt es sich mit dem 1. Mai in der BRD.
In Westdeutschland war der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) häufig der zentrale Organisator des 1. Mai bzw. offizieller Feierlichkeiten.
Man entschloss sich den 1. Mai in Verbindung mit anderen kulturellen Angeboten zu setzten, trotzdem (oder gerade: deswegen?) schwankte die Anzahl der Teilnehmer von Zeit zu Zeit stark. Es entstanden neue gesellschaftliche Bewegungen, die mit dem von der DGB organisierten Tag der Arbeit konkurrierten und diesen Ende der 70er Jahren sogar von der Straße in den Saal verdrängten.
Dennoch konnte auch diese Kluft zwischen Neuem und Altem überwunden werden und der Kampf um soziale Gerechtigkeit und Rechte weitergeführt werden.

Die Geschichte der Gewerkschaften in Deutschland bringt viele Kinder mit sich:
Der Kündigungsschutz, die Fünf-Tage-Woche mit freien Wochenenden, der Acht-Stunden-Tag, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der bezahlte Jahresurlaub und Urlaubsgeld, der Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz sind nur einige der Erfolge eines
langen Kampfes, dessen Tag schon immer der 1. Mai gewesen ist!

Und heute? Wer glaubt, man könne sich auf diesen Erfolgen ausruhen irrt genauso wie diejenigen, für die der 1.Mai vor allem sozialpartnerschaftliches Bratwurst essen und Bier trinken mit den Genoss*innen bedeutet! Natürlich ist ein „eigener“ Feiertag eine gute und richtige Angelegenheit, doch ist die Situation auch hierzulande alles andere als perfekt; mehr und mehr Menschen sind prekär beschäftigt, wissen auch in einem eigentlich ach-so-reichen Land nicht, wie sie die Miete im nächsten Monat bezahlen sollen, leben von Mini-Jobs und müssen sich erniedrigen und nach Aufstockung vom Amt fragen. Nebenbei verhindern große Konzerne immer wieder mehr oder weniger erfolgreich die Organisation der Arbeiter*innen im Betrieb und lehnen Verhandlungen mit Gewerkschaften um einen Tarifvertrag ab. „Union Busting“ auch in Deutschland? Was lange Zeit für eine überzogene Angst vor amerikanischen Verhältnissen galt, ist mittlerweile bei Amazon und Co traurige Realität geworden. Auch bei der Gleichstellung der Geschlechter tut sich hierzulande wenig, 2019 verdienten Frauen im Durchschnitt immer noch 21% weniger als Männer bei gleicher Qualifikation. Moderne Arbeitnehmer*innen sind gefangen in einem Kreislauf aus ewiger Selbstoptimierung, „Work-Life-Balance“ und verinnerlichtem Konkurrenzdenken, vollkommen entfremdet vom eigentlichen Produkt der Arbeit und dem Sinn und Zweck ihrer Tätigkeiten. An dieser Stelle sollte man auch nicht vergessen, was deutsche Unternehmen und die von Deutschland forcierte Austeritätspolitik für Arbeiter*innen in anderen Ländern bedeuten bzw. wie Arbeiter*innen aus diesen Ländern hierzulande behandelt werden, wenn rumänischen Erntehelfer*innen von deutschen Landwirten die Pässe abgenommen werden.

Währenddessen lassen wir in Moria und in weiteren Lagern an den EU-Außengrenzen Menschen unter erbärmlichen Bedingungen verrecken, anstatt ihnen beizustehen und die so dringend benötigte Solidarität zu zeigen. Auf dem Gründungskongress der bereits erwähnten „Zweiten Internationalen“ wurde der 1.Mai u.a. zum Gedenken der Opfer des Haymarkets zum Kampftag ernannt – Heute ist es aktueller denn je Solidarität mit den Opfern der europäischen Grenzpolitik zu zeigen und wachzurütteln. Der Erste Mai ist und bleibt Kampf- und kein Feiertag!


Die Bedeutung von Rechten, die heute selbstverständlich sind, lässt sich nur aus dem Mut, der Kraft, der Organisationsfähigkeit, der Solidarität und dem Wunsch nach einer sozial orientierten Gesellschaft vieler Menschen verstehen, die Jahr für
Jahr am 1. Mai den Weg auf die Straßen fanden und finden!

Weiter lesen:

Deutscher Gewerkschaftsbund: „Geschichte des 1.Mai: Vom Kampftag zum Feiertag“, unter: https://www.dgb.de/themen/++co++d199d80c-1291-11df-40df-00093d10fae2